Abschlussbericht zum Förderpreis „Alter und Arbeit 2013“


 

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Was wir herausgefunden haben: Weitere zentrale Ergebnisse und Fazit

Willkommen zu meinem 5. und letzten Blogeintrag!

Im vorangegangenen Blogeintrag (Juli 2014) habe ich erste zentrale Ergebnisse der durch die Becker Stiftung geförderten Studie berichtet. Zur Erinnerung: Entgegen der Annahme, dass Menschen im Laufe ihres Lebens im Allgemeinen effektiver im Umgang mit negativen Emotionen werden, fanden wir, dass ältere Studienteilnehmer berichteten, häufiger ineffektive Strategien der Emotionsregulation zu nutzen als junge und mittelalte Beschäftigte. In der Emotionsregulationsaufgabe am PC fanden wir zudem, dass ältere Beschäftigte in der direkten Konfrontation mit negativen Situationen häufiger als Jüngere die Ablenkungsstrategie statt der Umbewertungsstrategie wählten, um negative Gefühle abzuschwächen.
Wie aber wirken sich die Entscheidungen darüber, wie Personen mit negativen Emotionen umgehen, auf ihr berufliches Wohlbefinden und ihre Leistungsfähigkeit aus, insbesondere in emotional anspruchsvollen Berufen wie den Pflegeberufen, in denen der Umgang mit Emotionen eine zentrale Rolle spielen? Und unterscheiden sich die Folgen der Emotionsregulation zwischen Beschäftigten verschiedenen Alters? Diesen spannenden Fragen möchte ich im heutigen Blog anhand der gesammelten Daten nachgehen.

Emotionsregulation, arbeitsbezogenes Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit

Um das arbeitsbezogene Wohlbefinden zu quantifizieren, berechneten wir einen Gesamtindex aus drei Facetten: Arbeitszufriedenheit (Wie zufrieden sind Sie mit ihrer Arbeit?), Erleben positiver und negativer Gefühle bei der Arbeit (Während meiner Arbeit fühle ich mich … erfreut, entspannt, verärgert, matt.) und Erholungsbedarf nach der Arbeit (Am Ende eines Arbeitstages bin ich wirklich erschöpft.).
Auch für die Leistungsfähigkeit berechneten wir einen Gesamtindex aus drei Facetten: wahrgenommene Arbeitsleistung (Wie schätzen Sie sich im Hinblick auf die Ausführung Ihrer Tätigkeit ein?), Arbeitsfähigkeit (Glauben Sie, ausgehend von Ihrem jetzigen Gesundheitszustand, dass Sie Ihre derzeitige Arbeit auch in den nächsten 2 Jahren ausüben können?), sowie Schwierigkeiten bei der Ausführung von Arbeitsaufgaben (Ich finde es schwierig, die Menschen, die meine Arbeit beurteilen, zufrieden zu stellen.).

Fragebogendaten zur Emotionsregulation. Wenn man die Fragebogendaten zum Umgang mit Emotionen mit dem arbeitsbezogenen Wohlbefindens und der Leistungsfähigkeit in Verbindung bringt, ergeben sich klare Zusammenhänge in der erwarteten Richtung. Die größte Bedeutung scheint dabei dem Gebrauch ineffektiver Strategien zuzukommen, der sich nachteilig auswirkt: Personen, die angeben, häufiger ineffektive Strategien im Umgang mit negativen Emotionen zu nutzen, berichten ein verringertes Wohlbefinden und eine geringere Leistungsfähigkeit als andere Teilnehmende. Der Gebrauch effektiver Strategien im Umgang mit negativen Emotionen steht darüberhinaus mit einem höheren Wohlbefinden in Zusammenhang; effektive Strategien spielen allerdings keine Rolle für die Leistungsfähigkeit. Auch das Alter der Befragten spielt entgegen den Erwartungen keine Rolle. Junge, mittelalte wie ältere Befragte profitieren in gleicher Weise vom Gebrauch effektiver Strategien und „leiden“ unter dem Gebrauch ineffektiver Strategien. Die Wirkzusammenhänge sind in untenstehender Abbildung veranschaulicht.

Zusammenhänge zwischen Alter, Umgang mit Emotionen und arbeitsbezogenem Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit der Befragten. Ein höheres Alter ist verbunden mit einem häufigeren Gebrauch ineffektiver Strategien der Emotionsregulation (blauer Pfeil unten; siehe auch Blogeintrag Juli 2014). Unabhängig vom Alter ist ein häufigerer Gebrauch effektiver Strategien mit besserem Wohlbefinden verbunden (grüner Pfeil) und ist ein häufigerer Gebrauch ineffektiver Strategien mit einem niedrigeren Wohlbefinden und niedriger Leistungsfähigkeit verbunden (roter Pfeil). Alter beeinflusst nicht die Stärke der Zusammenhänge zwischen Emotionsregulation und Ergebnisgrößen (graue Pfeile). Gestrichelte Pfeile geben statistisch unbedeutende Zusammenhänge an.

Zusammenhänge zwischen Alter, Umgang mit Emotionen und arbeitsbezogenem Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit der Befragten. Ein höheres Alter ist verbunden mit einem häufigeren Gebrauch ineffektiver Strategien der Emotionsregulation (blauer Pfeil unten; siehe auch Blogeintrag Juli 2014). Unabhängig vom Alter ist ein häufigerer Gebrauch effektiver Strategien mit besserem Wohlbefinden verbunden (grüner Pfeil) und ist ein häufigerer Gebrauch ineffektiver Strategien mit einem niedrigeren Wohlbefinden und niedriger Leistungsfähigkeit verbunden (roter Pfeil). Alter beeinflusst nicht die Stärke der Zusammenhänge zwischen Emotionsregulation und Ergebnisgrößen (graue Pfeile). Gestrichelte Pfeile geben statistisch unbedeutende Zusammenhänge an.

 

Wenn man sich die einzelnen Strategien der Emotionsregulation genauer anschaut, ergibt sich ein noch detaillierteres Bild. Die folgende Tabelle gibt an, welche Strategien positiv und negativ mit dem Wohlbefinden und der Leistungsfähigkeit der Befragten verbunden sind. Die Strategien sind geordnet nach der Stärke des Zusammenhangs.

Tabelle: Strategien

Tabelle: Strategien

 

Emotionsregulationsaufgabe am PC. Interessanterweise finden sich beide Strategien, die wir in der PC-Aufgabe näher beleuchteten – Umbewertung und Ablenkung – unter den Strategien, die bedeutsame positive Zusammenhänge mit dem Wohlbefinden bei der Arbeit aufweisen. Beide Strategien sind also wie ursprünglich angenommen als im allgemeinen effektiv zu bewerten. Was aber, wenn man sich zwischen beiden Strategien entscheiden soll – welche der beiden ist dann zu empfehlen?
Die Ergebnisse der PC-Aufgabe der Emotionsregulation legen nahe, dass die Umbewertung die bessere Wahl ist, und zwar für alle Lebensalter: Studienteilnehmer, die in der Konfrontation mit emotionsauslösenden Bildern häufiger die Umbewertungsstrategie und seltener die Ablenkungsstrategie wählten, berichteten ein höheres arbeitsbezogenes Wohlbefinden. Dieser Zusammenhang besteht unabhängig vom Alter. Es zeigte sich allerdings kein Zusammenhang zwischen Strategiewahl und Leistungsfähigkeit. Dies steht im Einklang mit den Fragebogendaten, die ebenfalls keinen Zusammenhang zwischen effektiven Strategien und Leistungsfähigkeit aufwiesen.

Zwischenfazit. Ein Ausgangspunkt dieser Studie war die Frage, ob jüngere Beschäftigte von unterschiedlichen Strategien der Emotionsregulation profitieren als ältere Beschäftigte, wenn es um ihr allgemeines berufliches Wohlbefinden und ihre Leistungsfähigkeit geht. Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass dem nicht so ist. Stattdessen zeigen sich Zusammenhänge zwischen dem Umgang mit Emotionen und dem Funktionieren bei der Arbeit unabhängig vom Alter. Vor allem den uneffektiven Strategien kommt dabei eine zentrale, hinderliche Rolle zu. Die Ergebnisse legen nahe, dass die täglichen, kleinen Entscheidungen, die wir im Hinblick auf unser Gefühlsleben treffen, große Wirkungen auf unsere Lebensqualität entfalten können.

Weitere Ergebnisse: Emotionale Reaktivität und Erfolg der Emotionsregulation

Die Daten der PC-Aufgabe zur Emotionsregulation erlauben über die Strategiewahl hinaus weitere interessante Analysen. Mit Hilfe dieser Daten lassen sich ein Index der emotionalen Reaktivität sowie ein Index des Erfolgs der Emotionsregulation berechnen (siehe auch Blogeintrag März 2014).
Zur Erinnerung: In Teil 1 der Aufgabe sahen die Teilnehmenden neutrale und negative emotionsauslösende Bilder und waren angehalten, spontan und natürlich auf diese Bilder zu reagieren. Unser Index der emotionalen Reaktivität gibt an, wieviel stärker die Teilnehmenden auf die negativen Bilder als auf die neutralen Bilder reagierten. In Teil 2 der Aufgabe sahen die Teilnehmenden noch einmal negative emotionsauslösende Bilder, waren diesmal aber angehalten, ihre negativen Gefühle durch Ablenkung oder Umbewertung abzuschwächen. Unser Index der Erfolg der Emotionsregulation gibt an, wie gut es den Teilnehmern gelang, ihre emotionale Reaktion durch Ablenkung oder Umbewertung, relativ zu ihrer spontanen unregulierten Reaktion, zu verringern.
Schaut man sich die Zusammenhänge dieser beiden Facetten der Emotionalität mit Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit an, finden sich systematische Altersunterschiede.

blenkung oder Umbewertung, relativ zu ihrer spontanen unregulierten Reaktion, zu verringern.  Schaut man sich die Zusammenhänge dieser beiden Facetten der Emotionalität mit Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit an, finden sich systematische Altersunterschiede.   Zusammenhang zwischen emotionaler Reaktivität und Wohlbefinden (oben links) bzw. Leistungsfähigkeit (oben rechts), sowie zwischen Erfolg der Emotionsregulation und Wohlbefinden (unten links) bzw. Leistungsfähigkeit (unten rechts) in Abhängigkeit vom Alter der Befragten. Alter, Geschlecht, und Strategiewahl sind in den Analysen statistisch kontrolliert.

Zusammenhang zwischen emotionaler Reaktivität und Wohlbefinden (oben links) bzw. Leistungsfähigkeit (oben rechts), sowie zwischen Erfolg der Emotionsregulation und Wohlbefinden (unten links) bzw. Leistungsfähigkeit (unten rechts) in Abhängigkeit vom Alter der Befragten. Alter, Geschlecht, und Strategiewahl sind in den Analysen statistisch kontrolliert.

 

In obiger Abbildung ist zu sehen, dass sowohl älteren Befragte, die weniger stark auf die negativen Bilder reagieren als auch ältere Befragten, die ihre Negativität erfolgreicher abschwächen können, ein besseres Wohlbefinden sowie eine höhere Leistungsfähigkeit berichten als ihre Altersgenossen, die stärker auf die Bilder reagieren oder ihre Negativität weniger gut abschwächen können. In anderen Worten: das Vermeiden von Negativität scheint für ältere Beschäftigte besonders positive Auswirkungen zu haben. Bei den jüngeren Befragten sieht dies anders aus: Jüngere Befragte scheinen von einer stärkeren emotionalen Reaktivität zu profitieren. Und obwohl auch bei den Jüngeren erfolgreiche Emotionsregulation mit höherer Leistungsfähigkeit einhergeht (wenn auch weniger stark als bei den Älteren), gilt dies nicht für ihr Wohlbefinden.
Eine mögliche Erklärung sind die verschiedenen „Entwicklungsaufgaben“ und Veränderungen in den Zielen und körperlichen Ressourcen, die Beschäftigte im Pflegesektor mit dem Alter erleben. Negative Emotionen erfüllen wichtige Funktionen, unter anderem geben sie Rückmeldung über Erfolg und Misserfolg bei der Erfüllung von Arbeitsaufgaben, z.B. im Umgang mit Klienten. Der „Lerngewinn“, der durch die eigene emotionale Reaktion gefördert wird, sollte vor allem für jüngere Pflegekräfte bedeutsam sein und zu einem Gefühl der Kompetenz und Zufriedenheit beitragen. Ältere hingegen können bereits auf langjährige Erfahrungen im Umgang mit den Klienten zurückgreifen. Zusätzlich machen körperliche Veränderungen es schwieriger, mit stark negativen Gefühlsausschlägen umzugehen. Bei den Älteren sollte daher das Vermeiden von (stark) negativen Emotionen und der Erhalt des Wohlbefindens im Arbeitsalltag im Vordergrund stehen. Eine verringerte emotionale Reaktiviät und erfolgreiche Emotionsregulation können hierbei helfen.

Fazit

Berufe mit hohen emotionalen Anforderungen – bspw. im Pflegesektor – bringen besondere Herausforderungen für ein längeres Berufsleben mit sich. Mit Hilfe der Förderung durch die Marie-Luise und Ernst Becker Stiftung konnte in der vorliegenden Studie gezeigt werden, dass das emotionale Erleben und der „richtige” Umgang mit Emotionen wichtige und bisher unterschätzte Ressourcen darstellen könnten, die zum Erhalt des Wohlbefindens und der Leistungsfähigkeit aller Altersgruppen, aber besonders für ältere Beschäftigte, beitragen. Auffallend ist die vergleichsweise große Bedeutung ineffektiver Strategien der Emotionsregulation, die in dieser Studie zu Tage trat. Sowohl in der Forschung zum emotionalen Altern als auch in personalentwicklerischen Maßnahmen sollte diesen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Herzlichen Dank für Ihr Interesse und auf Wiedersehen!
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Freundlich grüßt Sie:
Dr. Susanne Scheibe