Altenbericht fordert Sicherstellungsauftrag für Kommunen


 

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Donnerstag, 3. November 2016

Berlin – Große Veränderungen bei der Gesundheitsversorgung vor allem in ländlichen Regionen fordert der siebte Altenbericht der Bundesregierung. Das Bundeskabinett hatte den Bericht gestern gebilligt und eine Stellungnahme dazu abgegeben. Der Report, der noch nicht veröffentlicht ist, wird nun Bundestag und Bundesrat zugeleitet. Dem Deutschen Ärzteblatt liegen vorab Ergebnisse vor.

Übergreifendes Ziel sollte laut Autoren sein, dass die Kommunen eine leistungsfähige, patientennahe haus- und fachärztliche sowie klinisch stationäre Versorgung sicherstellen können, die die Autonomie und Teilhabe alter Menschen unterstützt. Die Politik sollte dafür überprüfen, inwieweit der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) den Kommunen übertragen werden kann.

„Zumindest sollte eine verantwortliche Mitwirkung der Kommunen gesetzlich vorgeschrieben werden: Die Kommunen sollten partnerschaftlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen zusammenarbeiten, dafür müssen die Kommunen mit den entsprechenden Kompetenzen ausgestattet werden“, heißt es in der dem DÄ vorliegenden Broschüre zum Altenbericht. Dafür sollten auch die Planungsgebiete kleiner werden, damit örtliche Besonderheiten stärker als bislang berücksichtigt werden könnten.

Mehr Kooperationen nötig

Die Autoren des Berichtes fordern außerdem deutlich mehr Zusammenarbeit zwischen den Akteuren des Gesundheitswesens. „Das bestehende Gesundheitssystem mit der allgemein- und fachärztlich ambulanten Versorgung auf der einen Seite und der Krankenhausversorgung auf der anderen Seite muss mit dem Ziel weiterentwickelt werden, verstärkt Kooperationen und integrierte Versorgungskonzepte zu schaffen“, schreiben sie. Dafür seien eine sektorenübergreifende Bedarfsplanung, eine Vernetzung von Angeboten sowie eine verbesserte Zusammenarbeit der Ärzte mit anderen Gesundheits- und Sozialberufen von besonderer Bedeutung.

Aus Sicht der siebten Altenberichtskommission sind in diesem Zusammenhang medizinische Versorgungszentren (MVZ) ein erfolgversprechendes Modell. Diese sollten vor allem dort angesiedelt werden, wo der Versorgungsbedarf hoch ist.

Erstellung des siebten Altenberichts

Außerdem sollten die Möglichkeiten ausgebaut werden, ärztliche Tätigkeiten zu delegieren und zu substituieren, schreiben die Autoren. Zudem brauche es mehr regionalen Gestaltungsspielraum: Die Möglichkeiten insbesondere von Kommunen und Landkreisen, auf die Bedarfsplanung und das Niederlassungsverhalten von Ärzten Einfluss zu nehmen, sind zu erweitern“, schreiben sie. Anreize könnten beispielsweise Investitions- und Honorarzuschüsse, Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Praxisstandorten, nach Wohnraum sowie nach Kinderbetreuungsmöglichkeiten sein. „Darüber hinaus sollten die Arbeitsbedingungen für Ärzte qualitativ verbessert werden, beispielsweise durch familienkompatible Arbeitszeiten in MVZ, so die Empfehlungen.

Prävention stärken

Aus Sicht der siebten Altenberichtskommission ist der Präventionsgedanke mit Blick auf die Erhaltung von Selbstständigkeit, Autonomie und Teilhabe im hohen Alter in Deutsch­land „bei Weitem nicht ausreichend umgesetzt“. Gleiches gelte für die Rehabilitation. Angesichts des im hohen Lebensalter deutlich steigenden Risikos chronischer Erkrankungen und zunehmender Gebrechlichkeit empfiehlt die Kommission, den verschiedenen Komponenten der Rehabilitation und der Palliation ein größeres Gewicht zu geben. Die Verfahren für die Genehmigung von Leistungen der Rehabilitation sollten vereinfacht und die mobile Rehabilitation sollte gestärkt werden. Zudem empfiehlt die Altenberichtskommission, regionale Gesundheits- und Pflegekonferenzen zu etablieren. Die Kommunen sollten dabei die Koordination übernehmen.

Der Bericht widmet sich in seinem Hauptteil neben der gesundheitlichen Betreuung insbesondere der Wohnsituation alter Menschen. Die Autoren rechnen damit, dass immer mehr Rentner aus teuren Ballungsgebieten wegziehen müssen. Denn die Wohnkosten würden in manchen Städten und Regionen steigen, die Alterseinkünfte hingegen seien oft relativ gering.

Kommunen sind am Zug

Bundesseniorenministerin Manuela Schwesig (SPD) betonte, vor allem die Kommunen hätten es in der Hand, wie und wie gut ältere Menschen vor Ort leben könnten. In ihrer Stellungnahme weist die Bundesregierung auf Initiativen hin, welche die Kommunen dabei unterstützen sollen, altengerechte Strukturen zu etablieren und zu erhalten. Dazu seien „bereits vielfältige Maßnahmen eingeleitet worden“.

Das sieht die Opposition naturgemäß anders: „Die Kommunen müssen gestärkt werden, um die Herausforderungen einer alternden Gesellschaft dort, wo die Menschen leben, meistern zu können“, sagte Elisabeth Scharfenberg, Sprecherin für Pflege- und Altenpolitik von Bündnis90/Grüne. Doch die Bundesregierung hinke hier „meilenweit hinterher“, kritisierte sie.

Eine Bestätigung ihrer Arbeit sieht Nordrhein-Westfalens (NRW) Gesundheitsministerin Barbara Steffens (ebenfalls Bündnis 90/Grüne). Das Land unterstütze die Kommunen auf vielfältige Weise bei der altengerechten Entwicklung ihrer Quartiere. „Die Entwicklung altengerechter Quartiere hat in Nordrhein-Westfalen längst kräftig Fahrt aufgenommen“, erklärte Steffens in Düsseldorf. Über 80 Prozent der Kreise und kreisfreien Städte beschäftigten mit finanzieller Unterstützung des Landes hauptamtliche Quartiersmanager, die den erforderlichen Beteiligungsprozessen vor Ort den notwendigen Schub verliehen.