Alternde Belegschaft bei der Hansgrohe AG


 

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Das Durchschnittsalter vieler Belegschaften in den Unternehmen der Metall- und Elektro-Industrie hat sich spürbar erhöht – und wird sich in den nächsten Jahren weiter erhöhen. Die Betriebe müssen darauf reagieren. Der Bad- und Sanitärspezialist Hansgrohe beispielsweise hat ein Programm entwickelt, das sich speziell mit dieser Problematik befasst. Dafür wurde das Unternehmen im vergangenen Jahr international ausgezeichnet.

Schiltach. Die Hansgrohe AG hat ein Problem: Das Unternehmen liegt landschaftlich einfach zu schön. Mitten im Schwarzwald, rund 50 Kilometer südöstlich von Offenburg, ist der Firmenstandort, das idyllische Städtchen Schiltach mit dem gleichnamigen Fluss und seiner Flößervergangenheit, durchaus ein lohnendes Ausflugs- und Wanderziel. Was jedoch zahlreiche Besucher anzieht, ist für viele jüngere Leute Grund genug, die Region zu verlassen und in umliegende Städte wie Offenburg, Stuttgart oder Freiburg zu ziehen. Das erschwert der Firma die Aufgabe, Nachwuchsfachkräfte zu gewinnen – und es beschleunigt den Wandel der Altersstruktur im Unternehmen.

Hauseigener Wellness-Test-Center

Hauseigener Wellness-Test-Center (Bild: Hansgrohe AG)

„In den kommen zehn Jahren“, sagt Siegfried Gänßlen, Vorstandvorsitzender der Hansgrohe AG, „wird der Anteil der rund 3.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die 50 Jahre und älter sind, von heute 21 Prozent der Belegschaft auf etwa 50 Prozent ansteigen.“ Der Schwarzwälder Bad- und Sanitärspezialist, dessen Armaturen sich in prominenten Prestigeprojekten wie beispielsweise im Kreuzfahrtriesen „Queen Mary II“, im derzeit höchsten Bauwerk der Welt, dem Burj Khalifa in Dubai, sowie im Bundeskanzleramt in Berlin finden, hat daher bereits vor sechs Jahren damit begonnen, hier entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Basierend auf einer über hundertjährigen Firmengeschichte, in der die Mitarbeiter stets eine wichtige Rolle spielten, hat man in Schiltach 2004 das Projekt „MUMM“ – „Miteinander und Motiviert Mitmachen” – ins Leben gerufen.

MUMM kümmert sich vor allem um die Bedürfnisse der Generation „50 plus“. Ende vergangenen Jahres bekam das Unternehmen dafür in Brüssel den „2010 AARP International Innovative Employer Award“ verliehen. Der internationale Preis für innovative Arbeitgeber wird jährlich vom Seniorenverband AARP ausgelobt. Mit über 40 Millionen Mitgliedern ist er der weltweit größte Verband, der zukunftsweisende Lösungen zur Integration älterer Beschäftigter ins Erwerbsleben fördert. „Mit MUMM“, so Gänßlen, „werden wir Hansgrohe und die Belegschaft fit machen für die kommenden demografischen Herausforderungen.“ Die Initialzündung für das Projekt lieferte übrigens eine Diplomarbeit aus dem Jahr 2003. Die hier gewonnenen Erkenntnisse sowie die Ergebnisse aus ersten Pilotworkshops mit Beschäftigten aus der Zielgruppe der Generation „50 plus“ seien die Basis für das MUMM-Projekt gewesen.

Von Anfang an legten die Verantwortlichen besonderen Wert darauf, die Aktivitäten fest in der Unternehmenskultur zu verankern. Das bedeutete auch, dass nicht der Vorstand von oben Maßnahmen durchsetzt, sondern alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv in das Projekt und in die Erarbeitung von Lösungen einbezogen wurden und werden. Reizwörter wie „alt“, „Senioren“ oder ähnliche seien bewusst vermieden worden, da sie von jedem Menschen anders interpretiert werden und leicht zu Ausgrenzungen führen könnten. Entsprechend sei es auch die Belegschaft selbst gewesen, die in eigens dafür eingerichteten Workshops die Themenschwerpunkte des Projekts gesetzt habe. Dazu gehören unter anderem die Problemfelder „Erhalt und Stärkung der Beschäftigungsfähigkeit“ und „Work-Life-Balance“, Fragen alternativer Arbeitszeitgestaltung und Arbeitsorganisation (Sabbaticals, Sonderprämien in Zeit statt in Geld, flexible Pausenregelung) sowie Weiterbildung für ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Lernen im Alter). Um die Details im Unternehmen bekannt zu machen, haben die Projektgruppen eigenständig entsprechende Informationsbroschüren erstellt.

Eines der wichtigsten Themen hinsichtlich des Erhalts der Beschäftigungsfähigkeit ist die ergonomische Optimierung von Arbeitsplätzen. Vor allem in der Produktion wurden daher frühzeitig Tätigkeitsbereiche mit hoher körperlicher Belastung alters- und gesundheitsgerecht umgestaltet. Mit Florian Schoof wird eigens ein Gesundheitsmanager beschäftigt. Der Diplom-Sportwissenschaftler führt unter anderem in allen Unternehmensbereichen für alle Altersgruppen Ergonomieschulungen durch. „Damit sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein besseres Verständnis für die Problematik bekommen“, so Schoof. Das Thema Ergonomie fließt bei Hansgrohe heute bereits in Planungsprozesse von neuen Produktionslinien ein. „Ziel ist es“, sagt Schoof, „altersrobuste Montagelinien zu entwickeln, so dass Mitarbeiter aller Altersgruppen in Montagesystemen bestmöglich eingesetzt werden können.“

Zusätzlich zu Vorträgen über die Themen Bewegung, Ernährung und Entspannung organisiert Schoof auch praktische Kurse wie beispielsweise Nordic Walking, XCO-Walking und Lauftreffs. „Insgesamt“, so Schoof, „haben wir den Beschäftigten über 30 verschiedene Sportarten vorgestellt.“ Darüber hinaus bietet Hansgrohe seiner Belegschaft ein hauseigenes Wellness-Test-Center an. Dort können die Beschäftigten neue Duschsysteme und Brausen selbst ausprobieren oder einfach nur in der Sauna entspannen. Professionelle Fitness-Geräte stehen ebenfalls bereit. Unter Anleitung des Gesundheitsmanagers können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier anhand eines auf ihr jeweiliges Leistungsvermögen abgestimmten Trainingsplans beispielsweise gezielt die Rückenmuskulatur aufbauen und so möglichen körperlichen Beschwerden vorbeugen.

„Um drohende Gesundheitsprobleme frühzeitig zu erkennen und diesen gegenzusteuern, bieten wir speziell für ältere Mitarbeitergruppen einen Gesundheitscheck an“, sagt Schoof. Jährliche Vorsorgeuntersuchungen wie zum Beispiel das Darmkrebsscreening und Grippeimpfungen können von allen Beschäftigten in Anspruch genommen werden. Florian Schoof kümmert sich aber auch schon um die Jüngsten der Hansgrohe-Belegschaft, die Auszubildenden. Für sie gibt es das Gesundheitsprogramm „Hans-Fit“. Das Programm schult und sensibilisiert in allen drei Ausbildungsjahren die Jugendlichen für einen gesundheitsbewussten Lebensstil. Die Themenschwerpunkte sind „Ergonomie und Rückenprävention, Ausdauer und Bewegung, Check-up und Ernährung, Entspannung und Sucht“.

Beim Miteinander von Alt und Jung ist für die Verantwortlichen bei Hansgrohe von besonderer Bedeutung, wie der Wissenstransfer organisiert werden kann. Die Frage steht gerade im Ausbildungsbereich im Vordergrund. Denn hier profitieren die jüngeren von den erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. „Wir haben deswegen dafür gesorgt“, so der Vorstandsvorsitzende Siegfried Gänßlen, „dass die Erfahrenen sich gemeinsam mit den Auszubildenden im hauseigenen Ausbildungszentrum weiterqualifizieren. Dabei können die Älteren ihren großen Erfahrungsschatz und ihr langjähriges Know-how an die Auszubildenden weitergeben.“ Auch in der Fertigung arbeiten Jüngere und Ältere häufig in so genannten Alters-Tandems erfolgreich zusammen. Das sei „eine optimale Basis für den gegenseitigen Wissensaustausch“, so Gänßlen.

Eine Erfahrung, die Personalverantwortliche nicht nur bei Hansgrohe beobachten: Beschäftigte wollen auch im höheren Alter einen Beitrag zum Unternehmenserfolg beisteuern und die über viele Jahre erworbenen Erfahrungen an jüngere Generationen weitergeben. Umgekehrt können sie auch von den Fertigkeiten und Kenntnissen Jüngerer profitieren – etwa beim Umgang mit moderner Informationstechnologie. Das MUMM-Projekt bei Hansgrohe fördert diesen generationsübergreifenden Prozess. Der setzt sich übrigens auch beim jährlichen Firmentriathlon fort. Wenn es dann über die luftigen Höhen und durch die idyllischen Täler des Schwarzwaldes geht, sind es nicht unbedingt immer die Jüngeren, die die Nase vorn haben.

Ansprechpartner:
Hansgrohe AG
Public Relations
Dr. Carsten Tessmer / Beatrix Pfundstein
07836 / 51 – 3009/-1215

(Quelle: http://www.gesamtmetall.de/gesamtmetall/meonline.nsf/id/NewsArtikeldienst-1-2-2011-Beitrag-3-Alternde-Belegschaft-Hansgrohe?open&ccm=080&gn=08022011152122, 15.02.2011)