Altersdiskriminierung als Stressfaktor: Wie die Mitarbeiterbindung in Unternehmen geschwächt wird


 

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Wenn Arbeitnehmer wiederholt erfahren, dass man sie am Arbeitsplatz wegen ihres Lebensalters an den Rand drängt und benachteiligt, lässt ihre emotionale Bindung an das Unternehmen nach. Ältere Arbeitnehmer erleben Altersdiskriminierung dabei stärker als Stressfaktor als ihre jüngeren Kollegen. Sie sind dann eher geneigt, weniger Kraft und Energie für ihr Unternehmen aufzubringen. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die Dr. Tanja Rabl (Universität Bayreuth) und Dr. María del Carmen Triana (University of Wisconsin-Madison, USA) jetzt im International Journal of Human Resource Management veröffentlicht haben.

Umfrage in deutschen Großunternehmen

An der Untersuchung haben sich insgesamt 1255 Beschäftigte in sechs großen deutschen Unternehmen beteiligt. Sie gehören jeweils ungefähr zur Hälfte der Gruppe der 30- bis 40jährigen und der Gruppe der 50- bis 60jährigen an. Bei den Unternehmen handelt es sich um Firmen der Kfz-Zulieferindustrie, der Elektroindustrie, der Versicherungswirtschaft, der IT-Dienstleistungen, des Handels sowie der gewerblichen Abfallentsorgung. Mithilfe von Fragebögen haben die Autorinnen der Studie ermittelt, wie die Beschäftigten die Arbeitsbedingungen in ihren Unternehmen erleben und welche Einstellungen sie gegenüber ihren Unternehmen haben.

Wie sich herausstellte, fühlen sich die befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgrund ihres Alters nur geringfügig benachteiligt, ältere Beschäftigte dabei jedoch stärker als jüngere. Wird Altersdiskriminierung erlebt, ist sie ein Stressfaktor. Für beide untersuchten Altersgruppen, die 30- bis 40jährigen wie für die 50- bis 60jährigen, gilt: Wer sich im Unternehmen aufgrund seines Alters diskriminiert fühlt, entwickelt eine schwächere emotionale Bindung an das Unternehmen. Bei älteren Beschäftigten sinkt die emotionale Bindung dabei stärker als bei jüngeren Beschäftigten.

Sinkende Mitarbeiterbindung: Ein Selbstschutz vor Stress

Wie sind diese Umfrageergebnisse wissenschaftlich zu erklären? Die Autorinnen greifen an diesem Punkt auf die Theorie der Ressourcenerhaltung zurück, die von dem U.S.-amerikanischen Psychologen und Stressforscher Stevan Hobfoll begründet wurde. Deren zentrale These lautet: Menschen wollen die für ihr Wohlbefinden wichtigen körperlichen und psychischen Ressourcen erhalten und weiter steigern. Wenn sie diese Ressourcen verlieren oder wenn sie auf Dauer mehr Ressourcen einsetzen als zurückgewinnen, entsteht Stress.

Ein derartiges stressförderndes Ungleichgewicht kann auch am Arbeitsplatz entstehen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erwarten von ihrem Unternehmen, dass sie für ihren Einsatz eine Gegenleistung erhalten: nämlich Fairness und Wertschätzung. Erleben sie aber Altersdiskriminierung, nehmen sie das als einen Verlust von Ressourcen wahr, die für ihr berufliches Wohlbefinden wichtig sind; insbesondere als Verlust von Wertschätzung und Unterstützung. In der Folge verringern sie ihre emotionale Bindung an das Unternehmen. Dies hilft ihnen, körperliche und psychische Energien zu bewahren.

„Ältere Beschäftigte sind, das hat die bisherige Forschung gezeigt, verschiedenen Belastungen und Ressourcenverlusten ausgesetzt“, erklärt Dr. Tanja Rabl. „Dazu gehören beispielsweise eine geringere körperliche Leistungsfähigkeit, gesundheitliche Risiken oder psychische Belastungen durch den Tod von nahen Angehörigen. Daher sind sie auch anfälliger für den Stressfaktor Altersdiskriminierung und damit verbundene Ressourcenverluste. Sie sind stärker als ihre jüngeren Kollegen bestrebt, ihre Ressourcen aufrecht zu erhalten. Die Verringerung der emotionalen Bindung an ihr Unternehmen hilft ihnen dabei, die durch Diskriminierung verursachte psychische Belastung abzufedern. Sie können dadurch das Ungleichgewicht zwischen ihrem Einsatz für das Unternehmen und der erlebten unfairen Behandlung ausgleichen.“

Empfehlungen für Unternehmen: Diversitätsmanagement contra Altersdiskriminierung

Die Autorinnen empfehlen den Unternehmen eine ganze Reihe von Maßnahmen, mit denen älteren wie jüngeren Beschäftigten die Erfahrung vermittelt werden kann, unabhängig von ihrem Alter fair behandelt zu werden. So sollten für Beschäftigte jeden Alters Fortbildungsangebote und Karriereoptionen bestehen. Vorgesetzte sollten ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern altersunabhängig ein faires und leistungsbezogenes Feedback geben. Die Verteilung von Aufgaben sollte sich nach den Fähigkeiten der Beschäftigten und nicht nach ihrem Alter richten. Vorurteile und Stereotypen, die auf das Alter von Beschäftigten anspielen, dürften sich gar nicht erst im Unternehmen ausbreiten; die Unternehmensleitung müsse ihnen offensiv entgegentreten. Rabl und Triana plädieren daher für ein gezieltes Altersdiversitätsmanagement in Unternehmen. Dazu gehöre auch, allen Beschäftigten die Ursachen und Folgen von Altersdiskriminierung bewusst zu machen und sie zu ermutigen, sich selbstbewusst davon zu distanzieren.

Derartige Maßnahmen liegen, wie die Autorinnen betonen, auch im ökonomischen Interesse der Unternehmen. Infolge der demographischen Entwicklung und der wachsenden Zahl fehlender Fachkräfte sind Unternehmen in Deutschland mehr als früher darauf angewiesen, qualifizierte und motivierte Beschäftigte aller Altersgruppen an sich zu binden. Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes wird der Anteil der 50-bis 64jährigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer deutlich anwachsen; zwischen 2017 und 2024 wird er genauso hoch sein wie der Anteil der 30-bis 49jährigen Beschäftigten.

Veröffentlichung:

Tanja Rabl and María del Carmen Triana,
How German employees of different ages conserve resources:
perceived age discrimination and affective organizational commitment,
in: The International Journal of Human Resource Management,
Version of record first published: 14 April 2013
DOI: 10.1080/09585192.2013.777936

Kontaktadresse:

Dr. Tanja Rabl
Lehrstuhl für Personalwesen und Führungslehre
Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Universität Bayreuth
95440 Bayreuth
Tel.: +49 (0)921 55 6284
E-Mail: tanja.rabl@uni-bayreuth.de

Quelle: idw.de, 24.04.2013