Blogbeitrag Februar zum Förderpreis “Alter und Arbeit 2011″


 

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Studiendesign, Probandenrekrutierung, Messmethoden und aktueller Stand der Studie

Die Beziehungen zwischen Arbeits- und Leistungsmotivation und neurobiologischen sowie psychosozialen Veränderungen im Alter werden innerhalb einer Interventionsstudie, die am Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen in Magdeburg geplant und durchgeführt wird, untersucht.

In meinem Blog für Februar 2012 gebe ich, basierend auf unseren wissenschaftlichen Fragestellungen, einen Überblick über das Studiendesign und die eingesetzten Messmethoden. Dann erfolgt eine Charakterisierung der Teilnehmer in den jeweiligen Untersuchungsgruppen. Abschließend werde ich den aktuellen Stand der Studie darstellen und den weiteren Verlauf diskutieren.

1. Studiendesign

Unsere Fragestellungen (siehe Blogbeitrag Januar 2012) werden in einer longitudinalen Interventionsstudie am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen Standort Magdeburg untersucht. Unsere Messmethoden (psychosoziale Fragebögen, neuropsychologische Tests, bildgebende Verfahren zur Erforschung der Hirnstruktur), will ich hier und im nächsten Blog beschreiben.

Die Studie gliedert sich in eine Prätrainings-, Trainings- und Posttrainingsphase (Abbildung 1). Während der Prä- und Posttrainingsphasen erfolgen die Verhaltensmessungen (neuropsychogische Testung, psychosoziale Fragebögen), strukturelle und funktionelle Bildgebung und kontrastmittelbasierte Perfusions- sowie MEG-Messungen. Zusätzlich wird den Probanden vor, während und nach der Intervention Blut zur Einschätzung des Gesundheits- und Fitnesszustandes sowie zur Bestimmung molekularbiologischer Werte abgenommen.


Abbildung 1: Studienaufbau und Ablauf

Auswahl der Studienteilnehmer und der Untersuchungsgruppen

Es wurden gesunde ältere Probanden zwischen 65 und 75 Jahren rekrutiert, je 20 Personen für die Versuchsgruppe (Ausdauertraining) sowie 20 Personen für die Kontrollgruppe (progressive Muskelrelaxation). Hinsichtlich der späteren Qualität und Aussagekraft der Studienergebnisse und die Vermeidung von hohen „Drop-out“ Raten während der Intervention, werden die Probanden im Vorfeld sorgfältig ausgewählt. Des Weiteren sind die detaillierten Einschlusskriterien wichtig, um die Risiken, die während des Fitnesstrainings und bei den MRT-Untersuchungen auftreten können, zu minimieren und optimale Trainingsvoraussetzungen zu schaffen. Die Auswahl der geeigneten Studienteilnehmer wird nachfolgend beschrieben.

Interessierte Personen wurden über Anzeigen in den lokalen Zeitungen gewonnen. Im nächsten Schritt wurden mit Hilfe eines strukturierten Telefoninterviews die wichtigsten Einschlusskriterien abgefragt:

  • Personen im Alter von 65-75 Jahren
  • Bereitschaft, für 3 Monate an der Studie regelmäßig teilzunehmen
  • keine Stoffwechselerkrankungen (z.B. Diabetes Mellitus, Niereninsuffizienz)
  • therapierter Bluthochdruck (mit höchstens zwei Medikamenten)
  • keine neurologischen Vorerkrankungen (z.B. Schlaganfall, Epilepsie)
  • keine metallischen Implantate / Tätowierungen
  • kein Tinnitus
  • wenig sportliche Betätigung
  • kein Übergewicht

Nach dem Telefoninterview wurden den Probanden, die die Einschlusskriterien erfüllen (N=67), ausführliche Informationen zu den eingesetzten Methoden und zum zeitlichen Ablauf der Studie sowie erste Fragebögen zu Depression, körperliche Aktivität, Gesundheitsverhalten, Wohlbefinden und sozialer Unterstützung postalisch zugesandt. Die ausgefüllten Fragebögen wurden gesichtet und ausgewertet, um weitere Ein- und Ausschlusskriterien zu ermitteln, die nicht mit Hilfe des Telefoninterviews erfasst werden können, z.B.:

  • BDI II <13 (Depression)
  • Angaben zur körperlichen Aktivität
  • Medikamenteneinnahme

Die Personen, die alle Kriterien erfüllt haben (N=46), wurden zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Hier stellten wir das Team, die Räumlichkeiten des DZNE und den Ablauf der Studie vor. Im nächsten Schritt nahmen alle Interessenten an einer ausführlichen kardiologischen Untersuchung teil, die das abschließende Screening für den Einschluss in die Studie darstellt. Innerhalb der ca. vierstündigen kardiologischen Untersuchung wird neben kardiologischen Risikofaktoren u.a. auch die Zielherzfrequenz für das Ausdauertraining ermittelt. Auf Grund kardiologischer Erkrankungen und bestehender Risiken konnten von den anfänglich 46 potentiell geeigneten Personen nur 18 Probanden in die Studie eingeschlossen werden. Nach der kardiologischen Untersuchung wurden die Termine für die übrigen Prä-Trainingsuntersuchungen innerhalb einer Woche organisiert. Nach Abschluss des Trainings erfolgte abermals die kardiologische Untersuchung und innerhalb einer Woche alle weiteren Post-Testungen.

Während der pseudo-randomisierten Zusammenstellung der Versuchs- und Kontrollgruppe wird darauf geachtet, dass die Gruppen sich in den Variablen Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index, Gedächtnisleistung und sportliche Betätigung nicht unterscheiden. Nach der Gruppenzuordnung beginnen die Studienteilnehmer mit der drei monatigen Intervention.

Beschreibung der Versuchsgruppe

Die Probanden der Versuchsgruppe nehmen an einem Laufbandtraining teil, das über einen Zeitraum von drei Monaten dreimal wöchentlich für 60 Minuten in den Räumen des DZNE stattfindet. Der Trainingsplan wird durch einen Sportwissenschaftler unter der Berücksichtigung der kardiologischen Befunde und ermittelten Trainingszielherzfrequenz sowie der individuellen Fitness der Probanden erstellt. Das Training erfolgt herzfrequenzadjustiert und wird über den Zeitraum erhöht (kontinuierliche Messung der Herzfrequenz). Das Fitnesstraining findet auf speziellen Laufbändern statt, die pulsgesteuert, Gehgeschwindigkeit und Steigung automatisch auf eine Zielbelastung anpassen können. Während des Trainings werden auf einer großen Leinwand Fotografien neuer Umgebungen präsentiert (Abbildung 2).


Abbildung 2: Trainingsräume und Laufbänder der Trainingsgruppe

Beschreibung der Kontrollgruppe

Die Teilnehmer der Kontrollgruppe durchlaufen ein drei monatiges Entspannungstraining (Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson), das zwei Mal in der Woche für jeweils eine Stunde stattfindet. Zur Überwachung der körperlichen Aktivität der Kontrollgruppe sind alle Probanden mit einem Schrittzähler ausgestattet.

2. Messverfahren

Hier stelle ich die Messinstrumente vor, die für die Untersuchung unserer Hypothesen relevant sind. Sowohl die Trainingsgruppe als auch die Kontrollgruppe durchlaufen alle Messungen in Prä- und Posttrainingsphase (Abbildung 1). In diesem Blog gehe ich auf die neuropsychologischen und psychosozialen Erhebungen ein. Im nächsten Blog beschreibe ich detailliert die bildgebenden Methoden der Forschungsarbeit und erläutere die Datenanalyse.

neuropsychologische Testung und psychosoziale Parameter

Jeder Proband wird vor und nach der Intervention neuropsychologisch getestet. Die einzelnen Tests (z.B. Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Kurzzeitgedächtnis, räumliches Gedächtnis) sind entweder am Computer oder auf dem Papier zu bearbeiten. Die neuropsychologische Testbatterie wird an zwei Terminen erhoben, um die individuelle Leistungsfähigkeit in verschiedenen kognitiven Domänen zu erhalten (siehe Tabelle 1). Anschließend füllen die Probanden im Rahmen der Erhebung psychosozialer Faktoren standardisierte Fragebögen aus (z.B. Persönlichkeitsfragebögen, Fragebögen zu Motivation, Schlafgewohnheiten). Innerhalb der psychosozialen Erhebung wird der neu entwickelte SHH-Fragebogen eingesetzt und relevante standardisierte Kontrollvariablen, wie z.B. Zeitperspektiven, Kompetenz- und Kontrollüberzeugungen erfasst.


Tabelle 1: Überblick über  eingesetzte neuropsychologische und psychosozialen Messinstrumente


Der Fragebogen zum subjektiven Gesundheitshorizont (SHH)

Der SHH-Fragebogen soll die aktuelle Selbsteinschätzung der zukünftigen Gesundheitserwartung und Leistungsfähigkeit in der zeitlichen Dimension erfassen und schließt 15 Items ein. Die Items erfassen die Einschätzung individueller Zeitperspektiven, bezogen auf die körperliche Gesundheitsperspektive, die Sicht auf die zukünftige Leistungsfähigkeit sowie die Zukunftsplanung. Die Skalen sind an das jeweilige Alter des Probanden angepasst und teilen sich in 10 zeitliche Intervalle (siehe Beispiel Abb. 3). Ziel ist es, spezifische Sub-Werte und einen Gesamtwert zu berechnen, der die zeitliche Dimension der Gesundheitsperspektive optimal widerspiegelt. Es ist möglich, dass während und nach der Datenanalyse der Fragebogen optimiert und Items verändert werden.

Abbildung 3: Ein Item des SHH und Zeitperspektiven-Skala

Der SHH-Fragebogen wird in der Versuchsgruppe und Kontrollgruppe jeweils vor und nach Intervention erhoben. Um die Langzeiteffekte zu erfassen, erfolgt eine weitere Erhebung des SHH-Fragebogens vier Wochen nach der Intervention.


3. Aktueller Stand der Studie

Probandenakquise und Studienablauf

Mit dem Stand vom 20.02.12 sind in die Studie 11 Teilnehmer in der Versuchsgruppe (7 männlich) und 13 Teilnehmer in der Kontrollgruppe (6 männlich) eingeschlossen. Die  Trainingsintervention haben insgesamt 18 Teilnehmer vollständig durchlaufen (Versuchsgruppe N=7; Altersdurchschnitt: 71 Jahre+5,47 Jahre; 4 männlich; Kontrollgruppe N=11; Altersdurchschnitt: 66,7 Jahre + 4,07 Jahre; 4 männlich). Von diesen Probanden liegen alle Verhaltensdaten und bildgebenden Daten vor und werden für die Analysen aufbereitet (Auswertung der Fragebögen, Vorverarbeitung und Segmentierung der 3Tesla und 7Tesla Bilder).

Die Gruppen unterscheiden sich nicht signifikant in der Verteilung der Geschlechter, Body-Mass-Index, Ausdauertraining und Gedächtnisleistung.

Da durch die kardiologischen Untersuchungen sehr viele Personen ausgeschlossen werden mussten, wurde zeitnah eine Nachrekrutierung neuer geeigneter Probanden vorgenommen. Wir haben aktuell durch zusätzliche Zeitungsannoncen 20 weitere potenzielle Teilnehmer ausgewählt, die nach erfolgreicher kardiologischer Untersuchung innerhalb der nächsten zwei Wochen in die Interventionsstudie eingeschlossen werden können. Die nachrekrutierten Teilnehmer werden im Juni 2012 die Studie beenden. Im Juni 2012 werden alle Daten der 40 Studienteilnehmer vollständig erfasst sein. Zu diesem Zeitpunkt starten die Analysen.

Aktueller Stand: Neuropsychologie, psychosoziale Fragebögen und SHH-Fragebogen

Alle 18 Teilnehmer, die bisher die Studie beendet haben, haben alle Fragebögen (inkl. SSH Fragebogen) vor, nach und 4 Wochen nach Abschluss des Trainings vollständig ausgefüllt. Die Daten wurden eingegeben und zum Teil ausgewertet.

Zusammenfassung

Die Probandenakquise gestaltete sich als schwierig, da einerseits die vielen Ein- und Ausschlusskriterien zu einer hohen Drop-out Rate führten, andererseits durch ein notwendiges striktes kardiologisches Screening viele Personen nicht an der Studie teilnehmen konnten. Aus diesen Gründen mussten wir eine Nachrekrutierung neuer Probanden während der Studie vornehmen.

Vor eine organisatorische Herausforderung stellte uns die Planung der kardiologischen Untersuchungen und die zeitliche Organisation der folgenden Vor- und Nachuntersuchungen: Die kardiologische Untersuchung ist sehr zeitaufwändig und demzufolge kann immer nur ein Proband am Tag untersucht und demzufolge ein- oder ausgeschlossen werden. Aus diesem Grund ist die genaue Organisation der Folgetermine oftmals ungewiss und muss flexibel gestaltet werden. Das Training verläuft bisher optimal. Falls ein Proband mehr als eine Woche durch Krankheit o.ä. nicht am Training teilnehmen kann, wird diese Woche zum Ende des Trainings „angehängt“. Damit wird gewährleistet, dass alle Probanden die gleiche Trainingszeit erzielen.

Durch die erfolgreiche Nachrekrutierung von 20 potenziellen Teilnehmern, können diese in den nächsten 2 Wochen in die Interventionsstudie eingeschlossen werden und die Gruppen vervollständigen. Die nachrekrutierten Teilnehmer werden voraussichtlich im Juni 2012 die Studie beenden und wir können zu diesem Zeitpunkt unsere Analysen starten.

Sandra Düzel

Ältere Blogbeiträge zum Förderpreis 2011 finden Sie hier:
Vorbericht
Januar 2011