Blogbeitrag Juni zum Förderpreis “Alter und Arbeit 2011″


 

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„Laufend Lernen“ – Wie Arbeits- und Leistungsmotivation durch körperliche Aktivität gefördert werden kann

Aktuelle Studien deuten darauf hin, dass die Fähigkeit und Motivation, sich auf neue Situationen einzustellen, neurobiologisch auf zwei Komponenten beruht: Zum einen auf der Funktionalität des episodischen Gedächtnisnetzwerks und zum anderen auf der Integrität bestimmter Botenstoffsysteme im Gehirn, an denen so genannte dopaminerge Neurone beteiligt sind. Dopamin verbessert das Langzeitgedächtnis für neue Ereignisse und hat motivational aktivierende Effekte auf Mobilität.

Interessanterweise zeigen beide Systeme altersbedingte Veränderungen, lassen sich vermutlich durch körperliche Aktivität jedoch „re-stabilisieren“. Im letzten Blog habe ich die positiven Auswirkungen körperlicher Aktivität im Alter auf hirnstrukturelle Veränderungen und Lernen und Gedächtnis diskutiert. Daneben scheint es auch einen funktionellen Zusammenhang zwischen körperliche Aktivität und dopaminerger Neuromodulation zu geben, der einen wichtigen Einfluss auf die Leistungsmotivation hat. Dieser Zusammenhang wurde bisher wenig in der Altersforschung betrachtet. Jedoch ist Motivation eine Grundvoraussetzung  für die Prävention im Alter.

Diese Zusammenhänge werde ich in diesem Blog durch Studienbefunde diskutieren und stelle im nächsten Blog die Relevanz für die Arbeitswelt her.


1. Motivation, Bewegung, Lernen und der Botenstoff Dopamin

Botenstoffe geben „Informationen“ zwischen den Nervenzellen und Hirnzentren weiter und können Informationen verstärken. Ihre Ausschüttung bestimmt im Zusammenspiel mit anderen Faktoren unser Verhalten.

Der Botenstoff Dopamin reguliert Hirnprozesse, die nicht nur wichtig für unsere Motivation und eine Schlüsselrolle in Entscheidungsfindungsprozessen darstellt, sondern wird auch für die Gedächtnisfestigung neuer Informationen benötigt. Weiterhin können die motivationalen Effekte von Dopamin Verhalten anregen. Das dopaminerge System reguliert zudem auch willkürliche Bewegungen und ist somit in motorische Aspekte von Mobilität involviert (siehe Abbildung 1). Der Verlust der Dopaminneurone des Mittelhirns kann zu einer massiven motorischen Beeinträchtigung führen (z.B. bei Morbus Parkinson).

Abbildung 1: Funktionen, die unter anderem durch Dopamin reguliert werden

Es kommt je nach Aktivierungsort zu einer Ausschüttung von Dopamin in unterschiedlichen Hirnarealen. Im Hippokampus (eine Struktur im Schläfenlappen) beispielsweise wird Dopamin benötigt, um neue Gedächtnisinhalte für die Übertragung ins Langzeitgedächtnis zu festigen. Auch die Aktivierung durch die Erwartung von Neuheit bezieht den Hippokampus ein und führt zu einer Verbesserung des Langzeitgedächtnisses für das dann folgende neue Ereignis (Schott et al., 2007).  Dopamin reguliert daneben auch Arbeitsgedächtnisprozesse.

Das Zusammenspiel dieser Mechanismen verbindet dabei die motivationalen Aspekte mit der kritischen Rolle von Dopamin für Gedächtnisfestigung.

Es finden sich rund 600 000 dopaminerge Neurone im menschlichen Gehirn. Die meisten dopaminergen Zellen entwickeln sich aus embryonalen Zellgruppen, die aus den Bereichen des Mittel- und Zwischenhirns stammen. 75% der Zellkörper dopaminerger Neurone sind im ventralen Mittelhirn lokalisiert, vor allem in der Substantia Nigra / ventrales tegmentales Areal (SN/VTA). Von hier aus projizieren dopaminerge Fasern über Faserverbindungen aufsteigend in verschiedene kortikale und subkortikale Regionen (siehe Abbildung 2)

Abbildung 2: die verschiedenen Projektionspfade der Dopaminneurone der Substantia Nigra (Quelle: (Arias-Carrion, Stamelou, Murillo-Rodriguez, Menendez-Gonzalez, & Poppel, 2010))

Ein Mangel an Dopamin hat demzufolge Auswirkungen auf verschiedene Funktionen und kann zu Antriebsschwäche, Motivationsmangel, Lernschwierigkeiten und motorischen Störungen führen.

In der Tat verändert sich auch unser Motivationssystem im Alter: Die altersbedingte Minderaktivierung und strukturelle Degeneration dopaminerger Mittelhirnareale wird dabei mit einer altersbedingten Abnahme von Gedächtnisfunktionen assoziiert und stört die Verarbeitung neuer Informationen im Hippokampus (Bunzeck et al., 2007): In jeder Lebensdekade nach dem 40. Lebensjahr gehen ca. 3-6 Prozent der Dopaminneurone in der SN/VTA verloren (Backman, Nyberg, Lindenberger, Li, & Farde, 2006; Cortes, Gueye, Pazos, Probst, & Palacios, 1989; Fearnley & Lees, 1991; Rinne, Lonnberg, & Marjamaki, 1990; Seeman et al., 1987). Begleitet wird dies von verminderter Dopaminfreisetzung, z.B. im Striatum (Snow et al., 1993).

Diese altersbedingten Veränderungen des dopaminergen Systems sehen wir als einen wichtigen Grund, weshalb es zu Veränderungen der Leistungsmotivation im Alter kommt (z.B., dass es älteren Arbeitnehmern schwerer fällt, sich aktiv mit neuer Technik und neuer Arbeitsinhalten auseinanderzusetzen). Das heißt mit anderen Worten: Durch die Abnahme der dopaminergen Neuromodulation im Alter haben ältere Menschen es dreimal so schwer, sich zu motivieren, körperlich aktiv zu sein und sich im Arbeitsprozess mit neuen Dingen auseinanderzusetzen und somit leistungsfähig in der Arbeit zu bleiben – welches jedoch die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bewältigung moderner Arbeitsanforderungen darstellen:

  1. Studien konnten zeigen, dass die altersbedingte Abnahme dopaminerger Modulation und mit einer Abnahme bestimmter Lern- und Gedächtnisleistungen in Zusammenhang steht (Bäckman et al., 2000; see also Bäckman et al., 2006, in press; Li et al.,2009 for reviews)
  2. aber auch die Verarbeitung und Speicherung von neuen Informationen wird durch den Mangel an Dopmain erschwert wird.
  3. Daneben scheint eine Abnahme des Dopaminspiegels auch motivationale Auswirkungen auf die Einstellung zu Neuheit und körperlicher Aktivität mit sich zu ziehen


2. Wie kann die „Intaktheit“ des Dopaminsystems gemessen werden?

Einen Großteil der Dopaminneurone befinden sich in der SN/VTA im Mittelhirn. Die SN/VTA kann anatomisch aufgrund ihres hohen Melaningehalts gut auf strukturellen Bildsequenzen definiert werden (siehe Abb. 3, rechts).

Die altersabhängige Degenration der SN/VTA kann im Magnet-Resonanz-Tomografen (MRT; Kernspintomografen) z.B. anhand des sog. Magnetisierungs-Transfer (MT) gemessen werden. Dabei misst der MT die Magnetisierung zwischen mobilen Wasserstoffprotonen und Protonen, die an Makromoleküle gebunden sind und bietet ein indirektes Maß für makromolekulare Gewebseigenschaften in den jeweiligen Hirnregionen, z.B. der strukturellen Integrität.

Es konnte gezeigt werden, dass MT Messungen geeignet sind, um strukturelle Veränderungen in der SN/VTA, die mit dem Verlust dopaminerger Neurone einhergehen, zu erfassen.MT-Werte sind z.B. bei der Parkinson Erkrankung in der SN/VTA und im Hippokampus reduziert. Auch konnten wir in früheren Studien zeigen, dass es mit dem Alter zu einer Abnahme des MT in der SN/VTA kommt und, dass die Degeneration der SN/VTA mit zunehmendem Body-Mass-Index (BMI) stärker ausfällt (S. Duzel et al., 2008). Wir nutzen auch in diesem Forschungsprojekt das MTR als Maß für die strukturelle Integrität der SN/VTA. Wir wollen untersuchen, inwieweit körperliche Aktivität auch Effekte auf die Integrität der SN/VTA zeigt.

Wie erwähnt, scheinen gesundheitsbezogene Parameter wie physische Fitness und Mobilität für die Funktionalität des dopaminergen Systems insbesondere mit steigendem Alter von Bedeutung zu sein: Ein hoher BMI und eine niedrige SN/VTA Integrität kann hier in zweifacher Hinsicht von Nachteil sein:  zum Einen wird durch Dopaminmangel der motivationale Antrieb verringert, Neues zu explorieren; zum Anderen wird Exploration durch ein höheres Körpergewicht physisch erschwert.

Abbildung 3: links: Aktivierung der SN/VTA bei Belohnung mit Hilfe der funktionellen Bildgebung; rechts: die anatomisch markierte Region der SN/VTA auf einem Magnetisierungs-Transfer-Bild

Auch mit Hilfe der funktionellen Bildgebung kann die SN/VTA Aktivität leicht  detektiert werden. Die funktionelle Bildgebung misst neuronale Aktivität nur indirekt. Sie nutzt dabei die Gegebenheit, dass das BOLD-Signal (blood oxygenation level dependent signal) während der Bearbeitung von Aufgaben im Scanner sich in den Regionen verändert, die gerade aktiv sind und aus diesem Grund mehr Sauerstoff benötigen. Das hier gemessene Signal reflektiert die Gesamtaktivität relativ großer Populationen von Neuronen (Logothetis et al., 2001).

Wir können somit die funktionelle Bildgebung nutzen, um indirekte Rückschlüsse über den Zusammenhang von dopaminerger Aktivität und kognitive Prozesse zu erhalten. Ich möchte hier einige Beispiele für diesen Zusammenhang aufzeigen.

Mit Hilfe der funktionellen Bildgebung konnte gezeigt werden, dass das dopaminerge System, also die SN/VTA durch Belohnung, Erwartung von Belohnung, Neuheit, aber auch bei der Erwartung von Neuheit aktiviert wird. Dies gilt bei neuen Bildern aber auch neuer Wörtern, die präsentiert wurden (Bunzeck & Duzel, 2006; E. Duzel et al., 2004; Krebs, Schott, & Duzel, 2009; Krebs, Schott, Schutze, & Duzel, 2009).

Diese funktionelle Überlappung von Belohnungs- und Neuheitsverarbeitung wird dahingehend interpretiert, dass Neuheit selbst belohnungsnahe Eigenschaften hat (Cummings, Head, Afagh, Milgram, & Cotman, 1996) oder exploratives Suchverhalten nach Belohnungen motiviert (Kakade & Dayan, 2002).

Fazit

Unser Motivationssystem verändert sich im Alter. Dies ist eine neue, wichtige Erkenntnis, um die Herausforderungen des demografischen Wandels innerhalb der Arbeitswelt zu begegnen, denn Motivation ist eine wichtige Voraussetzung für Leistungsfähigkeit und Gesundheitsverhalten am Arbeitsplatz.

Ergebnisse aus der Neurobiologie geben erste Hinweise, welche Reize unser Motivationssystem stimulieren können: Belohnung, Neuheit sowie körperliche Aktivität.

Ein wichtiges Ziel ist es zu erforschen, durch welche Trainingsinterventionen auch die Motivation im Alter erhalten, sich mit neuen Dingen zu beschäftigen und körperlich Aktiv zu bleiben. Im nächsten Blog verweise ich auf Studien, die die Effekte körperlichen Trainings auf das dopaminerge System untersuchen.

Für die deutsche gesetzliche Unfallversicherung habe ich ein kurzes Interview gegeben, welches  in der nächsten Ausgabe der Zeitung „Arbeit und Gesundheit“ erscheint. Hier finden Sie den Link: http://www.dguv.de/inhalt/presse/dguv-kompakt/2012/index.jsp
Sandra Düzel


Ältere Blogbeiträge zum Förderpreis 2011 finden Sie hier:

Vorbericht
Januar 2012
Februar 2012
März 2012
April 2012


Literatur:

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Backman, L., Nyberg, L., Lindenberger, U., Li, S. C., & Farde, L. (2006). The correlative triad among aging, dopamine, and cognition: current status and future prospects. Neurosci Biobehav Rev, 30(6), 791-807.

Bunzeck, N., & Duzel, E. (2006). Absolute coding of stimulus novelty in the human substantia nigra/VTA. Neuron, 51(3), 369-379. doi: S0896-6273(06)00475-2 [pii]

10.1016/j.neuron.2006.06.021

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