Blogbeitrag November zum Förderpreis “Alter und Arbeit 2011″


 

am von .

Es ist bekannt, daß ein aktiver Lebensstil einen positiven Einfluß auf Lernen- und Gedächtnis aber auch auf die Hirnstruktur im höheren Lebensalter hat. Jedoch gibt es kaum Hinweise, welche Mechanismen die Motivation antreiben, auch im höheren Lebensalter einen aktiven Lebensstil zu führen, der u.a. körperliche Aktivität und Neuheitsexploration beinhaltet.

Ich nehme an, daß ein wichtiger Faktor für die Motivation auch im Alter aktiv und neugierig und dementsprechend auch leistungsfähig zu bleiben, der subjektive Gesundheitshorizont (SHH) ist. Hier entwickelte ich ein neues Instrument, den SHH-Fragebogen, der den zukünftigen Gesundheitshorizont mit 30 Fragen mißt. In zukünftiger Perspektive sollen Personen einschätzen, wie lange sie sich vorstellen können in der Lage zu sein, einen aktiven, neuheitsinvolvierten Lebensstil zu führen. Die Fragen messen dabei u.a. die persönlichen zukünftigen Gesundheitserwartungen bezogen auf körperliche Leistungsfähigkeit, allgemeine Zukunftspläne sowie Erwartungen zu zukünftiger Exploration von neuen Dingen.
Im Blog Oktober 2012 zeigte ich, dass die Validität des Fragebogens durch eine Faktorenanalyse bestätigt werden kann. Der Fragebogen wurde zusätzlich in einem größerem Sample erhoben und konnte somit einer Faktorenanalyse unterzogen werden (für eine detaillierte Beschreibung der Datensätze, siehe Abbildung 1).

Zu Erinnerung: Die Faktorenanalyse deckte drei Hauptkomponenten auf, die insgesamt 60,2 % der Varianz des Fragebogens aufklären. Die erste Komponente involvierte Fragen, die rein körperlich bezogene Zeithorizonte erfaßten. Die zweite Komponente umfaßte Fragen zur zukünftigen Einbindung neuer Aktivitäten und Exploration. Auf der dritten Komponente luden Fragen zu leistungsorientierten Perspektiven (siehe Blog Oktober 2012 für detailliertere Beschreibungen der Hauptkomponenten).

In diesem Blog berichte ich über Analysen, die untersuchen, inwieweit die unterschiedliche Ausprägung der Gesundheitsperspektiven der drei Hauptkomponenten, die durch die Faktorenanalyse aufgedeckt wurden, mit der kortikalen Dicke vordefinierter Hirnregionen, in Zusammenhang stehen. Hier richtete ich meinen Fokus auf Hirnregionen, die Komponenten des episodischen Gedächtnisnetzwerkes sind und demzufolge funktionell mit Zukunftsdenken assoziiert werden.

In den ersten Analysen beziehe ich mich wieder zuerst auf das größere Sample, um mögliche statistische Zusammenhänge auf Grund der höheren Probandenanzahl besser zu detektieren (Abbildung 1). Die Volumen der grauen Substanz wurden mit Hilfe des Programmes FreeSurfer (http://surfer.nmr.mgh.harvard.edu/) automatisch aus den nativen Karten extrahiert.

Abbildung1: Beschreibung der Datensätze, die für Validitäts- und Hirnstrukturanalysen genutzt wurden

Gibt es einen Zusammenhäng zwischen Komponenten der Gesundheitsperspektiven und struktureller Integrität von Hirnarealen, die funktionell mit Zukunftsdenken assoziiert werden?
In den Analysen nutzte ich die aus der Faktorenanalyse gewonnenen Subskalen des SHH Fragebogens (siehe Blog Oktober 2012).

Variablen:

Ich nutze die ermittelten Subkomponenten, die in der Faktorenanalyse extrahiert wurden. In den nachfolgenden Analysen konzentriere ich mich auf die ersten 3 Hauptkomponenten, da diese die größte Varianz erklären:

  • SHH1- körperlicher Gesundheitshorizont (Mittelwerte der Items 8-16)
  • SHH2- neuheitsbezogener Gesundheitshorizont (Mittelwerte der Items 23 a-j)
  • SHH3 – gesundheitsbezogene Arbeitsperspektive (Mittelwerte der Items 19a-e)

Mit Hilfe des automatischen Segmentierungsprogrammes FreeSurfer (http://surfer.nmr.mgh.harvard.edu/) werden die Volumen und Integritätsmaße der Hirnareale des episodischen Netzwerkes (siehe Abbildung 2) in die Analysen mit einbezogen:

  • Hippokampus (Volumen in mm3, rechts/links)
  • parahippokampaler Kortex (Volumen in mm3, rechts/links)
  • entorhinaler Kortex (Volumen in mm3, rechts/links)
  • Perirhinaler Kortex (Volumen in mm3, rechts/links)
Abbildung 2: anatomische Lage wichtiger Areale des episodischen Gedächtnisnetzwerkes (Quelle: www.bristol.ac.uk/synaptic/pathways/)

Ergebnisse:
Da die Probanden aus den beiden Studien im Mittel unterschiedlich alt sind, weisen die hirnstrukturellen Daten auch einen Unterschied zwischen den beiden Gruppen auf. Aus diesem Grund kann man hier die Daten der Gruppen nicht direkt miteinander vergleichen. Deshalb erfolgen hier die Analysen innerhalb der beiden Gruppen.

In der Gruppe der Altersstudie fanden wir eine hochsignifikante Beziehung zwischen dem linken entorhinalen Kortexvolumen und der zweiten Hauptkomponente, die die Zeitperspektive bezogen auf Neuheit und Exploration umfaßte (p< 0.000, Abbildung 3)

Abbildung 3: Korrelationen zwischen dem rechten entorhinalen Kortexvolumen und der Ausprägung der neuheitsbezogenen Gesundheitsperspektive (beachte: die Werte beziehen sich nur indirekt auf Jahresangaben, da sie altersgruppenkorrigierte Jahresspannen abbilden, je höher der Zahlenwert der x-Achse, desto „weiter“ ist der Gesundheitshorizont)

In der Gruppe der Trainingsstudie fanden wir auch eine hochsignifikante Beziehung zwischen dem linken entorhinalen Kortexvolumen (p< 0.029, Abbildung 4a) sowie dem linken parahippokampalen Regionen (p< 0.000, Abbildung4b) und der zweiten Hauptkomponente.

Abbildung 4a (links): Korrelationen zwischen dem rechten entorhinalen Kortexvolumen und der Ausprägung der neuheitsbezogenen Gesundheitsperspektive (beachte: die Werte beziehen sich nur indirekt auf Jahresangaben, da sie altersgruppenkorrigierte Jahresspannen abbilden, je höher der Zahlenwert der x-Achse, desto „weiter“ ist der Gesundheitshorizont);
Abbildung 4b: Korrelationen zwischen dem rechten parahippokampalen Regionen und der Ausprägung der neuheitsbezogenen Gesundheitsperspektive (beachte: die Werte beziehen sich nur indirekt auf Jahresangaben, da sie altersgruppenkorrigierte Jahresspannen abbilden, je höher der Zahlenwert der x-Achse, desto „weiter“ ist der Gesundheitshorizont)

In Gruppenübergreifenden Analysen bleiben diese Beziehungen auch erhalten, wenn man beide Datensätze für Alter, Body-Mass-Index und Gruppe kontrolliert (entorhinal: p<0.01; parahippokampal: p<0.004;siehe Abbildung 5).

Abbildung 5: Korrelationen zwischen dem rechten entorhinalen Kortexvolumen (a) sowie den parahippokampalen Regionen (b) und der Ausprägung der neuheitsbezogenen Gesundheitsperspektive (beachte: die Werte beziehen sich nur indirekt auf Jahresangaben, da sie altersgruppenkorrigierte Jahresspannen abbilden, je höher der Zahlenwert der x-Achse, desto „weiter“ ist der Gesundheitshorizont) über beide Gruppen, wobei die Varianz der Gruppe, des Alter und des Body-Mass-Index herauspartialisiert wurden

Interessanterweise ist die Neuheits- und Explorationsperspektive nicht mit Novelty-Seeking assoziiert. Keine der anderen Komponenten zeigten signitifkante Beziehungen zu Hirnstruktur.

Diese ersten Resultate deuten darauf hin, dass die Integrität des entorhinalen Kortex und parahippokampalen Regionen mit der subjektiven Zukunftsperspektive, neuheits-bezogenes Verhalten in seinen Alltag einzubinden, assoziiert sind. Interessanterweise zeigt diese Komponente im Alter den „engsten“ Zeithorizont, im Vergleich zu den anderen Komponenten.

Die Integrität dieser Regionen scheinen zu bestimmen, wie viel Neuheit wir uns im höheren Alter zuwenden / erfahren. Des weiteren scheinen die neuheitsrelevanten Perspektiven des SHH-Fragebogens sensitiv für die Integrität der Hirnareale zu sein, die bei der Alzheimer Erkrankung schon sehr früh betroffen sind.
Im nächsten Schritt werde ich auch untersuchen, inwieweit zusätzlich erhobene Variablen mit dem von mir entwickelten SHH-Fragebogen in Zusammenhang stehen (z.B. Optimismus, Neugier, andere Zukunftsperspektiven).

Im Dezember wird es möglich sein, meine aufgestellten Hypothesen am vollständigen Datensatz der Trainingsstudie zu testen und unter anderem untersuchen, ob ein drei monatiges körperliches Interventionstraining einen Einfluß auf die Veränderung (Erweiterung) der eigenen Gesundheitsperspektive hat und ob diese Veränderung auch mit Hirnstrukturellen Unterschieden einher gehen.

Viele Grüße,
Sandra Düzel

Ältere Blogbeiträge zum Förderpreis 2011 finden Sie hier:
Vorbericht
Januar 2012
Februar 2012
März 2012
April 2012
Juni 2012
Juli 2012
August 2012
September 2012
Oktober 2012