Der Alltags – Fitness – Test : Interview mit Herrn Dr. Rott


 

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Köln, den 29.09.2016

  1. Herr Dr. Rott, Sie haben gemeinsam mit dem DOSB und der Marie-Luise und Ernst Becker Stiftung den Senior Fitness Test, wie er in den USA genannt wird, nach Deutschland geholt. Aus welchem Grund haben Sie sich gerade für diesen Test entschieden?

Es gibt 2 Gruppen von Tests: Einmal ist das der Bereich Sportabzeichen und Deutschland bewegt sich, bei denen man eher die sportlichen Fähigkeiten testet und einmal den Bereich Geriatrie und Reha, bei dem man wie z.B. mit dem timed up and go –Test, eher das untere Funktionsniveau testet. Damit fehlte die Mitte, die das mittlere Leistungsspektrum abdeckt. Der Test von Rikli und Jones überprüft die körperliche Alltagskompetenz, dauert nicht lange und der Aufwand ist relativ gering.

  1. Für welche Zielgruppe ist dieser Test entwickelt worden?

Der Test ist für normale Menschen in Privathaushalten ab 60 Jahren entwickelt worden. Er deckt das Altersspektrum von 60 – 94 Jahren ab. Mit diesem Instrument können sowohl sportliche, als auch körperlich inaktive Menschen getestet werden. Und er ist geeignet für Gesunde, aber auch für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen.

  1. Was sind die entscheidenden Merkmale, die diesen Test von anderen Fitness-Tests unterscheidet?

Der AFT testet die alltagsrelevanten körperlichen Funktionen, die es einem ermöglichen auch noch im Alter fit und selbständig zu bleiben. Er deckt alle Funktionsbereiche, wie Kraft, Ausdauer, Geschicklichkeit und Beweglichkeit ab. Der Test wurde in den USA an der California State University aufwendig entwickelt und überprüft, ob er auch tatsächlich das misst, was gemessen werden soll. Weiterhin wurden an 7000 Personen umfangreiche Normwerte in 5 Jahresabstufungen für Frauen und Männer ermittelt und Fitness-Standards generiert, die eine Prognose geben können, wie selbständig man in der Zukunft sein wird, wenn man den ermittelten Fitness-Standard zumindest hält, besser aber übertrifft. Damit ist der AFT ein sensibler Gradmesser dafür, was muss ich jetzt tun, wie Prävention betreiben, damit ich auch in Zukunft noch aktiv und selbständig leben kann. Also ein perfektes Instrument zur Gesundheitsförderung und zum Erhalt und Stärkung der vorhandenen Ressourcen. Außerdem ist die Testung nicht aufwendig und kann auch in Senioreneinrichtungen, Gemeindehäusern bis hin zu Privatwohnungen durchgeführt werden. Mein Vorschlag: Jeder bekommt von der Gemeinde/Land zum 60. Geburtstag eine Fitness-Testung geschenkt.

  1. Sie bilden Übungsleiter als Alltags-Fitness-Test-Tester aus. Ist das zwingend notwendig oder kann man die Testung auch durchführen, wenn man das Übungsleitermanual gelesen hat?

Grundsätzlich sollten Übungsleiter ausgebildet werden. Wenn man das ÜL-Manual sehr aufmerksam studiert und befolgt sowie an der Testung schon öfter teilgenommen hat, kann man diese auch als Übungsleiter mit dem ÜL-Manual und den Videos, die es beim AFT online tool zu jeder Übung gibt, durchführen.

  1. Kann man die Testung, wenn man sie schon einmal gemacht hat, zukünftig auch zu Hause mit einem Partner oder einer Freundin durchführen?

Wenn Teilnehmer die Testung schon mehrfach mit gemacht haben, können sie diese auch eigenständig mit einem Partner oder Freund durchführen. Das ist sogar als regelmäßige Überprüfung und Motivation durchaus erwünscht.

  1. Das Online – tool zum Alltags-Fitness-Test ist gerade in der Erprobungsphase und soll in Kürze verbreitet und bekannt gemacht werden. Was erleichtert das online tool dem Tester?

Das Online-Tool zum Alltags-Fitness-Test wurde von der Marie-Luise und Ernst Becker Stiftung entwickelt, die die Einführung des AFT von Anfang an mit unterstützt hat. Es erleichtert die Erfassung und Auswertung der Daten. Diese können direkt ins smartphone, tablet oder laptop eingegeben werden und man erhält eine personalisierte Rückmeldung und Auswertung für jeden Einzelnen. Durch die individualisierte Datensammlung kann man den Vergleich über die Zeit hinweg sehen und überprüfen, ob man das Niveau auch im Alter von 80 und 90 Jahren halten kann oder ob es Bereiche gibt, an denen man besser trainieren sollte, um weiterhin den Alltag gut meistern zu können.

  1. Gibt es Ihres Wissens nach heute schon hinreichende Daten zum Fitness-Zustand der Personen ab 60 Jahre in Deutschland?

Es gibt eine Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland von 2013 (DEGS1), wobei hier allerdings das Altersspektrum von 65 bis 79 Jahren ging. Damit wurden die Hochaltrigen ab 80 Jahren nicht mehr getestet. Mein Ziel und Wunsch ist es mit dem Online tool genügend Daten erheben zu können, um dann mit zusätzlichen Fragen und Daten, eigene Normwerte und Fitness-Standards für Deutschland zu entwickeln.

  1. Was wünschen Sie sich mit dem Test hier in Deutschland zu erreichen?

Ich möchte für die Bedeutung von Bewegung im Alter sensibilisieren. Bei den älteren Personen selbst, aber auch bei den Personen, die mit Älteren zusammen arbeiten. Der Test ist einfach ein gutes diagnostisches Medium um zu wissen, wie fit man ist. Und die Testdurchführung und die Ergebnisse sind ein wunderbares Kommunikationsmittel, um mit den älteren Menschen ins Gespräch zu kommen.

  1. Können Sie sich vorstellen, dass dieser Test nicht nur in Vereinen zur Überprüfung der aktuellen Fitness durchgeführt wird, sondern auch in Senioreneinrichtungen, Arztpraxen, Wohlfahrtsverbänden und an Aktionstagen?

Das wäre mein Wunsch, dass der AFT überall dort durchgeführt wird/ werden kann, wo ältere Menschen hingehen. Denn nur so erreicht man auch die Menschen, die in keinem Verein sind, die aber vielleicht gerade unterstützt und motiviert werden müssten, sich mehr zu bewegen. Regelmäßige AFT- Aktionstage in jeder Kommune, das wäre mein Ziel.

  1. Dass der Test vielleicht sogar von Krankenkassen angeboten und zu den von den Kassen unterstützten Präventionsmaßnahmen gezählt wird?

Ja, das wäre toll, wenn die Testung als Leistung bei den Krankenkassen verankert werden könnte. Und man hier weg von krankheitsspezifischen Aspekten zur Entdeckung der Ressourcen übergeht. Was habe ich an Potential zur Verfügung und wie kann es unterstützt und verstärkt werden. Verbessert man seine Testergebnisse im Laufe der Zeit, dann ziehen die Menschen daraus eine positive Energie und sind umso motivierter weiter dran zu bleiben.

  1. Was ist Ihre ganz persönliche Motivation sich so für den Alltags-Fitness-Test einzusetzen?

Als Gerontologe möchte ich gerne einen Beitrag für ein gutes Leben im Alter leisten. Der Alltags-Fitness-Test ist ein gutes Instrument, da er wissenschaftlich fundiert und ökonomisch anwendbar ist und bei den Menschen gut ankommt. Ich möchte mit dem AFT mehr Menschen in Bewegung bringen und aufklären, dass man eine gewisse Fitness-Reserve benötigt, um auch im Alter noch selbständig leben zu können. Außerdem habe ich eine eigene Affinität und Schnittstelle zum Thema Sport / Verein / Kommune, da ich seit Jahren in meinem Verein und auch in einem kommunalen Netzwerk sowie seit Kurzem beim Heidelberger Sportkreis tätig bin.

Weitere Infos zum Alltags – Fitness – Test finden Sie unter:

www.alltags-fitness-test.de

www.dosb.de/AFT