Turnen mit fast 80 Jahren


 

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Bremen dpa Sie ist 78 Jahre alt und topfit: Spagat, Handstand und Barrenturnen – all das bewältigt Roswitha Wahl mit Bravour und mit Leichtigkeit. Während viele Gleichaltrige eher an Mobilität einbüßen, blüht die Seniorin auf und schafft, was sich die meisten wohl nicht mehr zutrauen.

Bei den Deutschen Seniorenmeisterschaften im Turnen steht die gelernte Krankenschwester seit einigen Jahren regelmäßig auf dem Siegertreppchen in ihrer Altersklasse. Mittlerweile habe sie einen „ganzen Sack voller Medaillen“, sagt sie.

Schon als kleines Mädchen fing Wahl mit dem Turnen an. Die Begeisterung am Sport hat sie nie verloren. Im Rentenalter glänzt sie daher mit bester Gesundheit – sie fühlt sich immer noch wie eine 45-Jährige. Und von Langeweile keine Spur: „Ich hab‘ ja noch elf Sportgruppen – da mache ich alles mit und alles vor.“ Bei ihrem Sportverein Bremen 1860 und beim Roten Kreuz unterrichtet sie Herzsport- und Gesundheitsgruppen.

Mit ihrer Fitness liegt die Rentnerin voll im Trend: Laut dem im Juni vorgestellten Report „Deutscher Alterssurvey 2014“ fühlen sich knapp 69 Prozent der Menschen in der zweiten Lebenshälfte körperlich kaum eingeschränkt. Und sie sind fitter als vor 20 Jahren: Die 40- bis 85-Jährigen treiben heute öfter Sport als 1996.

Wer im Alter von 70 Jahren und darüber hinaus mobil bleiben will, sollte allerdings nicht erst im Ruhestand mit dem Sport beginnen, sondern „früh daran denken“, wie Jürgen Bauer von der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie rät. Spätestens wenn das 50. Lebensjahr erreicht ist, sei regelmäßiger Sport empfehlenswert.

Ausdauertraining wie Radfahren und Spazierengehen ist allerdings nicht genug. Auch Krafttraining – unter der Anleitung eines Sporttherapeuten – und die richtige Ernährung spielten eine Rolle, um die Beweglichkeit zu erhalten, erklärt Bauer. Neben Sport und Ernährung gebe es noch eine dritte wichtige Komponente, die fit hält: soziale Interaktion. Der Chefarzt der Geriatrie im evangelischen Krankenhaus in Oldenburg warnt davor, sich im Ruhestand zu sehr von anderen zu isolieren und ohne Gesellschaft zu altern.

Wie wichtig Gesellschaft ist, hat Roswitha Wahl 2010 gemerkt. Als ihr Mann nach 50 Jahren Ehe starb, war sie kurz davor, dem Turnen den Rücken zu kehren. „Da dachte ich, jetzt bricht wohl die ganze Welt zusammen“, erinnert sie sich. Aber einige Wochen später raffte sie sich auf – und ging zum Sport. Sie wollte ihre Gruppen nicht im Stich lassen. Und das war wohl die richtige Entscheidung: „Durch den Sport bin ich aufgefangen worden.“

Wahl hat keinen festen Trainer, übt aber regelmäßig mit einer Freundin. Als Duo sind die beiden außerdem durch Auftritte im Synchronturnen deutschlandweit bekannt. Zusammen haben die Turnerinnen noch einiges vor: „Also, was wir jetzt bei den Jüngeren gesehen haben, das wollen wir auch noch nachmachen.“ Somit trainieren die Seniorinnen fleißig die „freie Rolle“ und am Barren den sogenannten „Wolkenschieber“ für den nächsten Wettkampf.

Nicht einmal eine Sportverletzung kann die 78-Jährige bremsen. Drei Wochen vor der Deutschen Seniorenmeisterschaft im vergangenen Jahr hatte sie sich bei einem Handstand zwei Rippen gebrochen. Wer fällt, steht am besten sofort wieder auf. Also: „Und dann hab ich ganz schnell noch mal den Handstand gemacht.“ Selbst Verletzungen müssen kein Hindernis sein. Und für Wahl sind sie kein Grund, die Turnschuhe an den Nagel zu hängen.